Überlegst du dir, mit dem Lernen einer Fremdsprache zu beginnen? Oder benötigst du etwas Motivation, um deine Sprachkenntnisse in einer Sprache wieder zu vertiefen und zu verbessern? In beiden Fällen ist diese Blogreihe genau das, was du brauchst. Während im ersten Teil Gründe in Zusammenhang mit dem Reisen genannt wurden, fokussierten wir uns im zweiten Teil auf die Vorteile, die dir Sprachkenntnisse auf dem Arbeitsmarkt bringen. In diesem dritten Teil soll es nun um eine Kompetenz gehen, die in unserer durch die Globalisierung vernetzten Welt zunehmend gefragter ist: Interkulturelle Kompetenz. Was das genau ist und warum du Interkulturelle Kompetenz mittels Sprachenlernen erwirbst, erfährst du hier.

Was ist Interkulturelle Kompetenz?

Wir sind es uns gewohnt, uns mit «Guten Tag» zu begrüssen. Thailänder:innen verbeugen sich zur Begrüssung. Auf Arabisch wünscht man sich Frieden («Salam aleikum»). Aus unseren drei Wangenküsschen werden in Frankreich (und in der französischsprachigen Schweiz!) zwei.

Dieses Beispiel verschiedener Begrüssungsrituale soll verdeutlichen, dass sich das Verhalten, das Wissen und die Haltungen von Meschen verschiedener Kulturen unterscheiden. Folglich ist Interkulturelle Kompetenz die Fähigkeit, trotz dieser Unterschiede erfolgreich mit Personen unterschiedlicher Gemeinschaften – verbal und nonverbal – interagieren zu können. Ziel ist es, ein gegenseitiges Verständnis herzustellen und Brücken zwischen Kulturen zu schlagen.

Warum ist Interkulturelle Kompetenz heute so wichtig?

Nehmen wir als Beispiel die Schweiz: Die Schweiz ist ein mehrsprachiges Land mit einer multikulturellen Gesellschaft. In unserem Alltag, in der Schule, bei der Arbeit – ständig sind wir in Kontakt mit Menschen unterschiedlicher Kulturen. Wir begrüssen und verabschieden uns, essen und trinken miteinander, beobachten unser zwischenmenschliches Verhalten, betreiben Smalltalk und vieles mehr. Bestimmt sind dir Gedanken wie «Sie spricht zu laut», «Er spricht zu leise», «Das kann man so doch nicht sagen, das ist viel zu direkt!», «Der hat ja keine Tischmanieren!» nicht unbekannt. Interkulturell kompetente Menschen würden solche Gedanken hinterfragen. Generell geht bei Interkultureller Kompetenz um das Wissen um andere Kulturen und Länder. Es geht darum, neugierig und offen zu sein und sich auf andere einzulassen. Es geht um Empathie und darum, über Unterschiede zu reflektieren und Vorurteile kritisch zu hinterfragen.

Wie durch Sprachenlernen interkulturelle Sensibilität schulen?

Das Erlernen einer Fremdsprache erweitert unseren Horizont und macht uns interkulturell sensibler. Indem wir nämlich in Grammatik und Wortschatz eintauchen, lernen wir – bewusst oder unbewusst – Unterschiede kennen. Nachfolgend einige Beispiele.

«¿Qué tal?»

In spanischsprachigen Ländern merken wir schnell, dass auf «¿Qué tal?» («Wie geht’s?») nicht zwingend eine Antwort erwartet wird. Tatsächlich wäre es seltsam, jemandem auf diese Frage ausgedehnt von den eigenen Problemen zu berichten. Hier, in der Schweiz, wird viel eher eine ehrliche Antwort erwartet.

Direkte Kommunikation

Wir unterscheiden High-Context-Kulturen und Low-Context-Kulturen. Während China, Japan und Taiwan sehr high-context sind, ist Deutschland sehr low-context. Das heisst, dass viel expliziter und direkter kommuniziert wird. Auch die USA sind eher low-context. So wäre es in den USA völlig in Ordnung, während eines Meetings anzukündigen, dass man auf die Toilette gehe. In China würde dies nicht kommuniziert werden.

«You» und «thou»

Heute wird im Englischen nur noch das Personalpronomen «You» gebraucht, was der Höflichkeitsform «Sie» im Deutschen und dem lateinischen «vos» (V) entspricht. Das informelle «Thou», das deutsche «Du» und lateinische «tu» (T), wird heute nicht mehr verwendet. Hingegen werden in Sprachen, in denen es heute noch eine Unterscheidung zwischen der V-Anredeform und der T-Anredeform gibt, Machtverhältnisse und Solidarität sichtbar: So deutet die V-Anredeform oft auf eine Hierarchie hin, während die T-Anredeform Freundschaft und Intimität suggeriert.

Wie würdest du «Schadenfreude» übersetzen?

Interessant sind auch Wörter, die es in der deutschen Sprache gibt, in anderen jedoch nicht. Beispiele dafür sind «Schadenfreude», «Weltschmerz» und «Fernweh».

Auch das Umgekehrte gibt es: Das portugiesische Wort «clinomania» fehlt in der deutschen Sprache. «Clinomania» bedeutet nämlich, dass jemand ein übertriebenes Bedürfnis danach hat, im Bett zu bleiben und zu schlafen.

Im Japanischen gibt es das Wort «kuchisabishii», was bedeutet, «essen, weil der Mund einsam ist».

Zeit und Pünktlichkeit

Auch in der Wichtigkeit, die eine Kultur der Zeit zuschreibt, gibt es grosse Unterschiede. Während bei uns und beispielsweise auch in den USA die Zeitplanung sehr wichtig ist, haben die Native Americans of the Dakotas, die Sioux, kein Wort für «Zeit», «zu spät» und «warten».

Autorität vs. flache Hierarchien

Wir unterscheiden auch Low Power Distance und High Power Distance. In Kulturen mit einer Low Power Distance (beispielsweise die Schweiz, Deutschland und die USA) sind Hierarchien deutlich flacher und es ist in Ordnung, einer Autoritätsperson zu widersprechen. In Kulturen mit einer High Power Distance (beispielsweise Japan und Russland) ist eine starke Autorität gewünscht; Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit sind hingegen weniger wichtig.

Fazit

Die oben genannten Beispiele sind nur eine sehr kleine Auswahl. Tatsächlich sehen wir uns ständig mit Situationen konfrontiert, in denen unsere Interkulturelle Kompetenz gefragt ist.

Durch Sprachenlernen allein werden wir noch nicht interkulturell sensibel. Dennoch kann das Eintauchen in eine Fremdsprache und damit in unbekannte Wörter und Grammatiken bereits ein erster Schritt in Richtung eines achtsameren Umgangs mit Menschen anderer Kulturen sein.

Hast du eigene Erfahrungen in Zusammenhang mit Interkultureller Kompetenz? Ich freue mich auf deine Rückmeldungen und darauf, von den Erlebnissen aus deinem Alltag in den Kommentaren zu lesen!

von Nelly Müller – Sprachen Akademie

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