Gross oder klein?

Die deutsche Sprache ist fast die einzige Sprache, in der Nomen, Namen und Substantivierungen grossgeschrieben werden. Diese Tatsache ist für viele Deutschlernende eine Herausforderung, und selbst Muttersprachler:innen sind sich in gewissen Fällen unsicher, ob ein Wort nun gross- oder kleingeschrieben wird. Umso komplizierter wird es, wenn sowohl Gross- als auch Kleinschreibung möglich ist, sich jedoch die Bedeutung des Satzes entsprechend ändert. Genau darum soll es in diesem Blogbeitrag gehen. Gleichzeitig soll euch dieser Blogbeitrag eine Übersicht dazu geben, wann grossgeschrieben wird und welche Besonderheiten es gibt.

Wann wird grossgeschrieben?

Bestimmt wisst ihr, dass Nomen (der Hund), Namen (Anna) und Satzanfänge grossgeschrieben werden. Beispiel: Der Hund von Anna ist noch jung.

Etwas schwieriger sind die sogenannten Substantivierungen (oder Nominalisierungen). Bei Substantivierungen handelt es sich um Wörter, die ursprünglich keine Nomen, sondern zum Beispiel Verben oder Adjektive sind, und wie Nomen verwendet werden.

Beispiel mit essen:

  • Anna und Lukas essen Spaghetti mit Tomatensauce.

Das Verb essen wird kleingeschrieben.

  • Das Essen von Spaghetti ist nicht so einfach.

Essen wird hier wie ein Nomen verwendet und deshalb grossgeschrieben (Substantivierung).

  • Beim Essen wird nicht geredet.

Beim, zum und vom sind Kurzformen von bei dem, zu dem und von dem. Da der deklinierte Artikel demdas Verb in ein substantiviertes Verb verwandelt, wird auch hier Essen grossgeschrieben.

Beispiel mit neu:

  • Anna hat eine neue Kaffeemaschine.

Das Adjektiv neu wird kleingeschrieben.

  • Doch Neues ist nicht immer besser als A

Neues wird hier wie ein Nomen verwendet und deshalb grossgeschrieben (Substantivierung).

  • Ich habe nichts Neues zu erzählen.

Nach nichts, alles, viel, wenig und etwas schreibt man gross.

Habt ihr euch schon einmal gefragt, ob man Farben gross- oder kleinschreibt? Es gilt auch hier, dass Farben als Adjektive klein- und als nominalisierte Wörter grossgeschrieben werden. Beispiel: Anna zieht ein rotes Kleid an, denn Rot steht ihr gut.

Nomen, Namen, Satzanfänge und Substantivierungen schreiben wir also gross. Eine weitere Besonderheit sind Anredepronomen, welche in der Höflichkeitsform grossgeschrieben werden. Beispiel: Sehr geehrter Herr Meier, Sie haben mich gebeten, Ihnen weitere Dokumente zuzusenden. Bitte finden Sie die Dokumente im Anhang. Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung.

Hingegen wenn du Herrn Meier duzt, schreibst du die Anredepronomen klein: Hallo Hans, du hast mich gebeten, dir weitere Dokumente zuzusenden. Bitte finde die Dokumente im Anhang. Ich freue mich auf deine Rückmeldung.

Finde den Unterschied!

Kommen wir nun zu einigen kniffligen Fällen.

  • Guten Morgen! Wie geht es dir? Treffen wir uns morgen?
  • Hallo! Ja, lasst uns morgen Morgen treffen.
  • Bis morgen.

Morgen ist nicht gleich morgen. Der Morgen (von 6 bis 11 Uhr) wird grossgeschrieben. Hingegen wird morgen (am nächsten Tag) kleingeschrieben.

Ein weiterer Spezialfall:

  1. Ich spreche deutsch.
  2. Ich spreche Deutsch.

Tatsächlich sind beide Sätze richtig und haben (fast) dieselbe Bedeutung. Bei Kleinschreibung wird gefragt: Wiesprichst du? Bei Grossschreibung wird gefragt: Welche Sprache sprichst du?

Und als kleine Repetition: Worin liegt der Unterschied folgender Sätze:

  1. Waren Sie einmal in Deutschland?
  2. Waren sie einmal in Deutschland?

Im ersten Satz wird eine Person angesprochen, die man siezt. Duzt man die Person, lautet der Satz: Warst du einmal in Deutschland? Beim zweiten Satz meint man mit sie mehrere Personen. Man könnte auch fragen: Waren Anna, Lukas und Hans einmal in Deutschland?

Auch das nächste Beispiel zeigt, dass korrekte Gross- und Kleinschreibung wichtig für die Bedeutung eines Satzes ist:

  1. Der gefangene Floh
  2. Der Gefangene floh.

Bei 1. geht es um ein Tier – um einen Floh –, das gefangen ist. Bei 2. geht es um einen Menschen, der flieht.

Und zum Schluss: Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach. Schaffst du es, den Satz aufzuschlüsseln? Ich freue mich auf deine Kommentare!

Über weitere Tücken der deutschen Sprache liest du in den Blogbeiträgen Rechtschreibung: Widder, wieder oder wider? und Zusammengesetzte Wörter.

von Nelly Müller – Sprachen Akademie

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