Komposita – zusammengesetzte Wörter

Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz. Dies war das offiziell längste deutsche Wort. Es war Teil eines Gesetzestextes, doch da das Gesetz im Jahr 2013 aufgehoben wurde, verschwand es aus den Wörterbüchern. Nichtsdestotrotz, die deutsche Sprache ist bekannt für ihre langen Wörter, auch Komposita genannt. Und dies ist auch einer der (vielen) Gründe, warum Deutsch keine einfach zu erlernende Sprache ist.

In dieser Blogreihe will ich einige Tücken der deutschen Sprache genauer erläutern. Und in diesem Blogbeitrag widme ich mich – ihr erratet es bereits – langen Wörtern wie eben Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz.

Zusammengesetzte Wörter: Kompositabildung

Wie ist es überhaupt möglich, ein so langes Wort zu bilden? Die Antwort lautet: Kompositabildung. Die sogenannte Komposition ist ein Typ der Wortbildung. Mindestens zwei Wortstämme werden dabei miteinander verknüpft. Nehmen wir ein etwas einfacheres Beispiel: Verknüpfen wir Fuss (Wortstamm 1) und Ball (Wortstamm 2) erhalten wir Fussball (Kompositum). Wenn wir noch Spiel (Wortstamm 3) hinzufügen, erhalten wir Fussballspiel. In diesem Beispiel haben wir drei Nomen aneinandergereiht. Jedoch ist es auch möglich, ein Verb (warten) und ein Nomen (Raum) zusammenzufügen (Warteraum), ein Adjektiv (alt) und ein Nomen (Glas) (Altglas) oder ein Adverb (nicht) und ein Nomen (Gebrauch) (Nichtgebrauch). Insbesondere in der Fachsprache kommen auch Komposita aus Verben vor.

Das Wort Fussballspiel ist ein sogenanntes transparentes Kompositum: Die Bedeutung setzt sich aus den Einzelbedeutungen der Wortstämme und der Beziehung zwischen ihnen zusammen. Bei intransparenten Komposita ist es nicht möglich, die Bedeutung abzuleiten. Diese Wörter müssen gelernt werden. Ein Beispiel hierfür ist Junggeselle. Die Bedeutung: ein unverheirateter Mann. Schliesslich gibt es auch noch Ad-hoc-Komposita. Diese Wörter gibt es nicht offiziell, das heisst, es gibt sie nicht in Wörterbüchern. Stattdessen werden sie spontan in einer bestimmten Situation gebildet. Ein Beispiel hierfür wäre das Wort Umverteilungsinitiative (eine schweizerische Volksinitiative aus dem Jahr 2000).

Ist euch beim vorherigen Beispiel etwas aufgefallen? Umverteilungsinitiative besteht aus den Nomen Umverteilung und Initiative. Mittendrin steht jedoch noch ein s. Woher kommt das? Wir sprechen hier von Fugenelementen, welche die Aussprache vereinfachen sollen. Neben dem sogenannten Fugen-S sind ebenfalls -e, -(e)s, -(e)n und -er häufig. Beispiele sind Katze-n-baum und Strasse-n-beleuchtung. Wann ein solches Fugenelement eingefügt wird, dafür gibt es leider keine festen Regeln.

Verständlichkeit und Komposita

Deutsch ist eine sehr kompositionsfreudige Sprache. Gleichzeitig sind Komposita schwer verständlich, da sie mehr Ressourcen bei der Verarbeitung erfordern. So werden nämlich seltenere Komposita nicht als Ganzes im lexikalischen Gedächtnis aktiviert, sondern zuerst in ihre Einzelteile zerlegt.

Es gibt noch eine weitere Schwierigkeit. Determinativkomposita sind die wichtigsten Komposita der deutschen Sprache. Dabei bezieht sich der rechte Wortstamm auf ein Konzept, das vom ersten, linken Wortstamm genauer bestimmt wird. Bei Fussballstadion ist Stadion das Grundwort, welches durch Fussball (Bestimmungswort) genauer bestimmt wird. Das Grundwort bestimmt jeweils Kasus (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ) und Genus (der, die, das). Trotzdem kommt das Grundwort am Schluss. Das heisst, dass das Verstehen nicht Wort für Wort erfolgt, sondern rückwirkend. Aus diesem Grund ist Deutsch eine regressive Sprache. Und regressive Sprachen erfordern eine größere Gedächtnisleistung als progressive Sprachen.

Leitlinien

Zusammengesetzte Wörter können Sätze kürzer machen, da anstatt einer langen Erklärung einfach zwei Wörter verknüpft werden. Warteraum ist kürzer als ein Raum, in dem man wartet. Dennoch sollte man es nicht übertreiben. Wörter wie Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz sind schlicht und einfach zu lang und schwer verständlich. Deswegen sollte man Komposita nur mit höchstens drei Wortstämmen verwenden. Längere Komposita solltest du auflösen oder zumindest mit Bindestrichen schreiben. Dies macht die Wörter lesbarer.

Huch, geschafft! Was für eine Tücke der deutschen Sprache. Wusstest du bereits davon oder war dir die Thematik neu? Auf welche anderen Schwierigkeiten stösst du beim Deutschlernen? Ich hoffe, dass du mit diesem Blogbeitrag etwas Neues lernen konntest, und es würde mich freuen, von deinen Erfahrungen in den Kommentaren zu lesen. Bis bald!

von Nelly Müller – Sprachen Akademie

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